Ein phänomenales Forschungslabor

Seit nunmehr 30 Jahren ist das LOFT einer „der“ Aufführungsorte für Jazz und improvisierte Musik in der Stadt

Der Filmemacher Wim Wenders hat einmal gesagt, dass Mittelmaß eine der Voraussetzungen für den Massenerfolg sei. Legt man allein die finanzielle Messlatte an, hätte das LOFT demnach wohl nie eine Erfolgsgeschichte werden können, ist doch das, was im Ehrenfelder Veranstaltungsort seit nunmehr unglaublichen 30 Jahren musikalisch geschieht, Lichtjahre von jedem Mittelmaß entfernt.

Mehr als 200 Konzerte kommen jedes Jahr in der obersten Etage einer ehemaligen Parfümfabrik zur Aufführung, und die sind alles andere als bloße „Masse“: Fast jedes Konzert aus den Bereichen zeitgenössischer Jazz und improvisierter Musik, zwischen Moderne und Avantgarde, ist ein handverlesenes Ereignis, und knüpft sich so auf eine mittlerweile vielreihige Kette aus leidenschaftlich wie kenntnisreich programmierten Klangperlen. Was im LOFT geschieht, ist fast immer einzigartig und selten wiederholbar. Der kleine, aber feine Aufführungsraum wurde zur unter ständiger Glut brodelnden Schmiede, in der hochtalentierte Musiker*innen ihre Kunst fertigen.

Angesichts des Spektrums an Stilen und Temperamenten, Klangformen und individuellen Ausdrucksweisen gibt es kaum ein einziges LOFT-Konzert, das sich nicht lohnen würde – zumindest für ein entdeckungsfreudiges Publikum, das neugierig und offen ist für Neues, Unerwartetes und Unberechenbares. Wobei es ihm durchaus leichtgemacht wird: Die entspannte, freundlich-kommunikative Club-Atmosphäre trägt ebenso dazu bei wie der Konzertraum selbst, ein großräumiges Loft ohne erhöhte Bühne, in dem schnell eine unmittelbare, intime Nähe zwischen Publikum und Aufführenden entsteht, sodass man ein Stück weit gemeinsam im klanglichen Versuchslabor „werkelt“. Die vom Theater bekannte imaginäre vierte Wand, die Schauspieler nur selten durchschreiten, gibt es im LOFT nicht. Hier ist alles offen, die Aufführung ereignet sich nicht vor, sondern mit dem Publikum.

So gesehen, schreibt das LOFT seit 1989 seine ganz eigene Erfolgsstory, und ist dabei stets bemüht, die Schere zwischen internationaler Anerkennung und regionaler Wahrnehmung so klein wie möglich zu halten. Während die britische Tageszeitung „The Guardian“ 2016 das LOFT in ihre Liste mit zehn der besten europäischen Jazz-Clubs aufnahm, wundern sich die Menschen in Ehrenfeld mitunter heute noch, dass es „so etwas“ in ihrem Stadtteil gibt, und sind beeindruckt, wenn sie hören, dass vor allem hier die vitale Kölner Jazz-Szene eine Heimat fand.

Wobei LOFT-Gründer Hans Martin Müller in all den Jahren nicht nur die luftigen Höhen erlebte, sondern auch manche Täler durchschritt. Existenzbedrohende wirtschaftliche Engpässe glich der im Sinfonieorchester des Westdeutschen Rundfunks angestellte Flötist in seiner Nebentätigkeit als leidenschaftlicher Club-Betreiber durch großes privates Engagement, aber auch durch erhebliche finanzielle Eigenmittel aus. Viele junge, engagierte Jazz-Musiker*innen aus dem Umfeld der Kölner Hochschule für Musik und Tanz setzten sich zwischenzeitlich uneigennützig für den Erhalt „ihres“ Spielzimmers ein, während sich schrittweise der kulturpolitische Wind drehte. Regelmäßige Auszeichnungen wie die Spielstättenprogrammprämie NRW, vor allem aber der über die Jahre ständig gestiegene Betriebskostenzuschuss der Stadt Köln lassen Benedikt Müller, der nach der Pensionierung seines Vaters Ende 2014 immer mehr Arbeiten übernahm und mittlerweile die Geschäfte leitet, vergleichsweise sicher planen.

„Mein Vater sagte immer, wir reden nicht über Probleme, sondern über Lösungen. Und damit über Geld“, resümiert Benedikt Müller. Immer noch kann er den Künstler*innen nur in Ausnahmefällen eine angemessene Gage zahlen, reicht aber die Konzerteinnahmen inzwischen zu 100 Prozent an sie weiter, zahlt ihre Beiträge für GEMA und Künstlersozialkasse, bietet, wenn nötig, Schlafgelegenheiten (in den Jahren 2018 und 2019 mehr als 160 Mal!). Benedikt wuchs quasi mit dem LOFT auf, kennt die Musiker*innen, die hier bekannt wurden, seit ihren ersten musikalischen Gehversuchen. Irgendwann wollte der promovierte Biologe sein Glück nicht länger von den zu nicht unerheblichem Maße vom Zufall abhängenden Erfolgen naturwissenschaftlichen Forschens abhängig machen, und ließ sich auf das Abenteuer LOFT ein, das ihm inzwischen ein selbstbestimmtes Arbeiten erlaubt.

Heute ist das LOFT längst mehr als „nur“ ein phänomenaler Veranstaltungsort. Das professionell betriebene, hauseigene Tonstudio wird schon seit 30 Jahren für Konzertmitschnitte in allerfeinster Aufnahmequalität genutzt, während der vor 15 Jahren gegründete Verein 2ndFLOOR ambitioniert den Konzertbetrieb unterrepräsentierter und unterfinanzierter Musikformen fördert. Alles zusammen ist dies die Entwicklung von 30 Jahren, geprägt von zwei altruistisch denkenden und handelnden Musikenthusiasten. Am 21. September 2019 konnten Hans Martin und Benedikt Müller den verdienten Dank „ihrer“ Musiker*innen entgegennehmen: Am Tag der Offenen Tür zum 30-jährigen Jubiläum reihten sich herausragende Künstler*innen im Halbstundentakt zu einem mitreißenden konzertanten Defilee für Vater und Sohn.

 

Dr. Urs Benedikt Müller @ 30 Jahre LOFT
Foto: Gerhard Richter 2019
 

„Das hat fast schon so etwas Heiliges…“

Urs Benedikt Müller erzählt: Essenzen eines ausführlichen Werkstattgesprächs

I Wie es begann

Die Generation, zu der ich gehöre, ist die des Pablo Held Trios und des KLAENG-Kollektivs, auch wenn ich hier immer nur die Rolle des begeisterten Zuhörers einnahm und einnehme. Wir sind alle ungefähr derselbe Jahrgang, in den frühen 1980er-Jahren geboren. Mein Vater war Berufsmusiker, natürlich habe ich schon immer Musik gehört, als Kind zuhause war das zunächst Klassische Musik, die mein Vater probte, oder die meine Eltern auf Schallplatte und später auf CD hörten. Später dann, Mitte der 1980er-Jahre im ersten LOFT, direkt um die Ecke der Kölner Musikhochschule, und Ende der 1980er-Jahre dann in Ehrenfeld, bekamen wir Kinder – meine Schwester und ich – immer mehr mit von der Musik, mit der sich unser Vater „privat“ beschäftigte. Wir Kinder waren so häufig wie möglich vor Ort, haben dort alles mitbekommen, wenn auch weniger bewusst, als wir uns einredeten, die Eindrücke „diffundierten“ in uns hinein.

Als wir dann älter wurden, hat sich meine Schwester immer weniger für diese Musik interessiert, während ich mich immer mehr begeistern konnte. Ich bin natürlich auch auf Rock- Pop- und HipHop-Konzerte gegangen, aber das, was ich im LOFT hören konnte, „forderte“ mich mehr, da ging ich ganz anders aus einem Konzert heraus, und das beschäftigte mich auch länger. Solche LOFT-Konzerte waren für mich schon immer singuläre Ereignisse, und zu erkennen, dass ich das so – aller Wahrscheinlichkeit nach - nicht noch einmal würde erleben können, gab dem Ganzen fast schon etwas Heiliges…

II Die Suche nach dem Glück

Es war dann eine glückliche Verkettung von Umständen, die dazu führte, dass wir jetzt stehen, wo wir sind. Mein Vater ging Ende 2014 in Rente, er hatte neben seinem vollen Einsatz im „Hobby-Betrieb“ LOFT ja vor allem seine volle Stelle im Symphonieorchester des Westdeutschen Rundfunks. Als kleiner Junge erinnere ich mich an meinen Vater als Menschen, der in der Nacht nur vier Stunden schläft, sehr viel gesehen haben meine Schwester und ich ihn nicht, auch dies einer der Gründe, weshalb wir als Kinder viel Zeit im LOFT verbrachten. Nachdem er durch die Erfüllung von Brandschutzauflagen erst einmal den Fortbestand des LOFTs gesichert hatte, machte er sich nun Gedanken, wie es in Zukunft hier weitergehen sollte. Man merkte, dass er jetzt eigentlich mehr Zeit für sich haben wollte, um mehr „selbstbestimmt“ Flöte zu spielen, und um mit meiner Mutter zu reisen. Ich war zu dieser Zeit seit etwa zehn Jahren am Institut für Genetik der Universität zu Köln angestellt, zunächst als Student, dann nach Diplom und Promotion mit einer ordentlichen Post-Doc-Stelle, aber es war klar, dass diese Stelle irgendwann auslaufen würden. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich die Chef-Etagen dort zu viele Gedanken machten, wie sie den von ihnen ausgebildeten Nachwuchs später auf dem Arbeitsmarkt unterbringen. Zwar hatte ich immer unheimlichen Spaß an der Forschung, aber es war ein Job, für den ich über fünf oder sogar sechs Jahre hinweg nahezu jeden Tag gearbeitet habe, auch an Wochenenden und Feiertagen. Je nach Versuchsaufbau eines biologischen Experiments hat man jeden Tag etwas zu tun, oft auch mitten in der Nacht. 2014 erwarteten meine Partnerin und ich dann das erste Kind, und ich merkte, wie sehr mich die Arbeit belastete, zum einen, weil ich das Gefühl hatte zu wenig von Frau und Nachwuchs mitzubekommen, zum anderen, weil ich die Arbeit dann doch nicht wirklich „auf der Arbeit“ lassen konnte – und das hat mich noch zusätzlich belastet.

So habe ich mich dann irgendwann gegen die universitäre Forschung entschieden, außerdem war mir auch der Glücksfaktor in der Wissenschaft zu hoch: Häufig fischt man im Trüben, hat zwar einen Plan und „designt“ seinen Köder, aber ob dann letztlich am Ende ein positives Ergebnis steht, kann einem niemand garantieren. Ich bewundere die Kollegen*innen, die sich hier tagtäglich im Namen der Forschung aufreiben, aber persönlich hatte ich das das Gefühl, dass ich auf meinen Erfolg zu wenig Einfluss nehmen kann.

III Im kulturpolitischen Aufwind

Im LOFT hatte ich schon immer mitgearbeitet, Konzerte betreut, die Website programmiert, ich war immer irgendwie involviert. Die ersten Arbeiten, an die ich mich erinnern kann, das war noch im analogen Zeitalter, war, wenn mein Vater mit der Schreibmaschine die Programme schrieb und kopierte, meine Schwester und ich haben sie zusammengefaltet und in Briefumschläge gesteckt, Adressaufkleber drauf, Stempel „Porto bezahlt“, und so haben wir unsere Werbung verschickt. Das waren so um die 1.000 Exemplare ca. alle zwei Monate (außer Juli und August), da war ich so um die zehn Jahre alt.

In den vergangenen Jahren hat sich die kulturpolitische Einstellung der Stadt geändert, und ist der gesamten Kölner Jazz- (und freien) Szene, wohlgesonnener. Es gab und gibt mehr Zuschüsse, wir hatten zuerst einen Betriebskostenzuschuss von 25.000 € im Jahr, von dem musste mehr oder weniger alles bezahlt werden. Davon durfte aber ausdrücklich keine einzige Gage für Musiker*innen bezahlt werden! Das können wir auch heute nur in geringem Maße, haben heute aber andere Mittel und Wege, die Musiker*innen finanziell und auch sonst ein wenig zu unterstützen. Dann wurde der Betriebskostenzuschuss auf 50.000 € erhöht. Mit diesen Mitteln sollte eine halbe Stelle und ein Betriebsbüro eingerichtet werden, denn mein Vater wollte so die Nachfolge und den Fortbestand des LOFTs einleiten. Er wusste noch nicht, wer die Leitung eines Betriebsbüros übernehmen könnte, und hat sich in der Szene umgesehen. Ich konnte mir eigentlich diese Stelle ganz gut für mich vorstellen, weil ich wusste, da habe ich Freiheiten, ich kann selbst entscheiden, wann ich wie (und oft auch wo) arbeite, mein Arbeitsgerät wäre vorrangig mein Computer, die gesamte Kommunikation – und das ist 90% der Arbeit – läuft ja heute über E-Mail.

Das war 2017, im April habe ich die halbe Stelle angetreten, mein Vater hat mich in den Verwaltungsaufwand eingearbeitet (z.B. Kulturamt, GEMA, Vereinsrecht). Ende des Jahres 2017 blickte ich dann insgesamt auf ein ganz gutes erstes Halbjahr der Spielzeit 2017/18 zurück. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits Signale aus der Kulturpolitik- und Verwaltung, dass es ab 2019 noch einmal eine Erhöhung des Betriebskostenzuschusses geben könnte. Unter dieser Perspektive habe ich das dann mit der halben Stelle noch ein Jahr gemacht und dabei im Verhältnis zu meiner vorherigen Post-Doc-Stelle an der Uni erhebliche Gehaltseinbußen in Kauf genommen. Und das mittlerweile mit zwei kleinen Kindern und einer Partnerin, die auch lediglich mit halber Stelle beschäftigt ist. Aber wir haben immer schon bescheiden gelebt, und rückblickend hatten wir eigentlich nie das Gefühl, uns eingeschränkt zu haben, eigentlich hat das alles sehr gut funktioniert.

 IV Neue Aktivitäten…

Ab Januar 2019 wurde der Betriebskostenzuschuss tatsächlich auf insgesamt 100.000 € erhöht, womit man dann schon etwas mehr planen konnte: das Aufnahme-Projekt vom 2ndFLOOR e.V. für fünf Nachwuchs-Musiker*innen aus der Region, die jeweils zwei Tage lang kostenlos im Tonstudio des LOFTs aufnehmen konnten, die Unterstützung der Reihe „Pablo Held meets…“, oder auch die Fortführung der Monday Meetings, dem Konzertformat des Kollektivs „jungesloft“, welches 2019 keine Förderung von Stadt, Land und vor allem vom Bund bekommen hatte. Die Monday Meetings waren ursprünglich als eine Art Publikumsakquise gedacht, gerade für Ehrenfeld, wo die Musik, die im LOFT gespielt wird, eigentlich super gut ankommen müsste. Viele Ehrenfelder wissen aber gar nicht, dass es hier so einen Konzertort gibt.

Schon im April 2017 haben wir deshalb mit Unterstützung des Kulturamts der Stadt Köln eine Stadtinformationskampagne gestartet, 2018 gab es erstmals einen Tag der Offenen Tür, um auf den Ort aufmerksam zu machen, und das bei freiem Eintritt. Auch bei den Monday Meetings ist der Eintritt frei, dennoch werden hier die Musiker*innen ordentlich bezahlt. Janning Trumann war da federführend engagiert, und er hat sich vor jedem Konzert hingestellt und dem Publikum die prekäre Situation erklärt: Im LOFT bekommen die Musiker 100 Prozent die Einkünfte aus der Abendkasse, das LOFT bezahlt die GEMA, die Künstlersozialkasse, und kann noch bis zu vier Schlafgelegenheiten bieten, dann sparen die Künstler*innen noch die Hotelkosten.

 V… und neue Perspektiven

Heute hat sich die Situation im Vergleich zu vor 30 Jahren also grundlegend geändert. Natürlich bin ich jetzt in finanzieller Abhängigkeit von den Zuschüssen, das Geld, das meine Stelle braucht, ist schon mal die Hälfte des Etats. Das ist eine Situation, in die sich mein Vater nie begeben wollte. Er hat 15 Jahre lang, von 1989 bis 2004, das LOFT als GbR geführt, dann wurde der Verein 2ndFLOOR e.V. gegründet, und ist seitdem verantwortlich für die Organisation und Durchführung der Konzerte. Das Konstrukt ist so, dass mein Vater den Raum und das Inventar pro Konzert für die Durchführung der Konzerte vermietet, so kann der Verein immer sicher planen. Nie kommen unvorhergesehene Kosten auf ihn zu.

Zudem hat es mein Vater immer vermieden, über den Verein z.B. Instrumente anzuschaffen, weil wir auch eben einen Tonstudiobetrieb haben, und der ist komplett unabhängig vom Verein und abendlichen Konzertbetrieb. Allerdings darf der Verein das Tonstudio kostenfrei für Konzertmitschnitte nutzen. So wird alles transparent gehalten, damit auch nicht nur annähernd der Eindruck entsteht, dass sich hier eine Privatperson auf Kosten der Kulturförderung bereichert. Und das funktioniert sehr gut.

Ob und wie lange der Verein mit dem Betriebskostenzuschuss rechnen kann, wird letztlich auf politischer Ebene entschieden, aber da mache ich mir derzeit keine allzu großen Sorgen, auch wenn es theoretisch möglich wäre, dass die Finanzierung der Freien Musikszene Köln  – immerhin eine der stärksten der Republik – in Frage gestellt werden könnte, wenn sich die politischen Verhältnisse verändern. Ich würde nie die Glaskugel in die Hand nehmen, um zu fragen, wie es in fünf Jahren aussieht. Das Ganze ist aber kurzfristig gesichert, hat mittelfristig eine gute Perspektive – und langfristig kann man ohnehin nichts sagen.

 VI Es tut sich wieder was im Jazz

Im Moment merkt man, dass sich etwas tut, und dass auch etwas zurückkommt. Sowohl von den Musikern*innen, die sich nicht nur im LOFT, sondern in der ganzen Stadt weiterentwickeln, erfolgreich sind und dabei auch sichtbar Spaß haben, auch wenn sie nach wie vor in prekären Beschäftigungsverhältnissen leben, aber auch vom Publikum: Früher merkte man, dass das Stammpublikum zusammen mit dem LOFT und den Musikern*innen älter wurde und dann irgendwann auch nicht mehr kam. Vor allem durch die Hochschule für Musik und Tanz und die exzellente Ausbildung dort mangelt es uns in der Stadt aber nie an hochkarätigem Nachwuchs, und auch das Publikum wird – gefühlt – wieder jünger (und man selbst älter), auf jeden Fall spürt man, dass sich etwas bewegt, die Monday Meetings sind dafür eines von zahlreichen guten Beispielen.

Der Kölner Pianist Pablo Held hat seine ersten Konzerte einschließlich Konzertexamen im LOFT gespielt, ebenso seine Trio-Mitspieler Jonas Burgwinkel und Robert Landfermann, die haben das früher alles im LOFT gemacht (auch Robert Landfermann hatte eine Reihe im LOFT, die über Jahre lief: „nicht ohne Robert“). Natürlich bin ich aber froh über alle Musiker*innen, der nicht mehr im LOFT spielen „müssen“ – und freue mich umso mehr, wenn sie es dennoch weiterhin tuen. So wie Pablo mit seiner Reihe „Pablo Held meets…“, von der es in diesem Jahr bereits die Ausgaben 10 bis 15 gibt. Das sind alles erste, hoffentlich aber nicht einmalige Begegnungen von Musikern*innen, die vorher in dieser Konstellation nie zusammengespielt haben. Das ist eben eine der Stärken des LOFT: Hier kann etwas ausprobiert, etwas entwickelt werden, ohne großes finanzielles Risiko. Und das ist für viele Akteure doch sehr interessant: das LOFT als „Forschungslabor“. Und wenn am Ende 120 Zuhörer*innen kommen und die Hütte voll ist, dann zahle ich am Ende den Musikern auch durchaus mal eine Abendkasse aus, die höher ist als die von der Deutschen Jazzunion geforderte Mindestgage.

Das Betriebsbüro im LOFT ist jetzt also in der luxuriösen Situation, fast jeden Euro, der mehr hereinkommt, den Musikern*innen zugutekommen zulassen. Wenn ich allen die geforderte Mindestgage von 250 € zahlen würde, bräuchte ich im Jahr nochmal mindestens 200.000 € mehr, d.h. mehr (finanzielle) Unterstützung. Mir wird ja mitunter vorgeworfen, die Situation der Musiker*innen auszunutzen, weil diese – wenn nicht im LOFT – dann eben gar nicht (oder eben in der Trinkhalle) spielen würden. Richtig ist, dass wir keine festen Gagen zahlen können, aber es ist ja nicht immer nur die Bezahlung (die ist natürlich wichtig, überhaupt keine Frage), auch das Drumherum muss für die Musiker*innen stimmen. Wir widmen ihnen unsere volle Aufmerksamkeit, bieten eine Infrastruktur, wie man sie kaum in einem zweiten Club findet, den besten Konzertflügel und mittlerweile auch den besten Kontrabass, wir haben eine Superakustik, gutes Licht und dazu ein unglaublich interessiertes Publikum.

All das wird von mir jedes Mal vorher transparent kommuniziert, gerade wenn es ums Geld geht, sodass alle von Anfang an wissen, worauf sie sich einlassen. Da kann ich nur noch einmal meinen Vater zitieren, der wiederum immer wieder seinen Vater mit drei Schlagworten zitiert hat: „Weisung Wahrnehmung Würdigung“, die drei Ws des guten Managers. Leider kann ich nicht weisen, das hieße engagieren und dann auch bezahlen, aber Wahrnehmen und Würdigen schon. Bei uns sind die Musiker*innen immer noch selbst die Veranstalter, wir sorgen für die Infrastruktur. Gott sei Dank müssen die Musiker*innen ja durch unsere Förderung der Stadt keine Miete mehr bezahlen, statt Mietvertrag bekommen sie jetzt einen Überlassungsvertrag. „Wahrnehmen und Würdigen“, das musste ich gar nicht erst lernen, danach handle ich von Natur aus. Die meisten Musiker*innen kenne ich ja schon, seit ich ein kleiner Stöpsel war, ich bin mit ihnen groß geworden. Bei denen kommt das alles auch ganz selbstverständlich so an, da muss ich mich nicht verstellen. Die größten Probleme entstehen ja immer nur dann, wenn man aneinander vorbeiredet, also durch mangelhafte oder gänzliche fehlende Kommunikation.

Das Gespräch mit Benedikt Müller führte und verdichtete Horst Peter Koll (mit freundlicher Hilfestellung von Benedikt und Hans Martin Müller).