Loft

Hornung Trio



Norbert Krampf (FAZ) über die im Herbst 2022 veröffentlichte CD des Hornung Trios:

Vielleicht unterscheiden sich amerikanische und europäische Jazz-Pianisten am auffallendsten dadurch, dass jene aus der „alten Welt“ größtenteils mit Klassik aufwachsen, ehe sie sich der improvisierten Musik zuwenden. Es ist natürlich kein Zufall, dass sich Einflüsse von (Spät-)Romantik bis zur klassischen Moderne nun auch – markanter denn je – im Spiel von Ludwig Hornung ausmachen lassen. Sie verleihen seinen Kompositionen und dynamischen Improvisationen einen entschieden eigenen Charakter. Zudem offenbaren sie eine geradezu frappierende Entwicklung des Musikers und seiner Band, deren Debüt Spieler 2017 bei Double Moon Records erschienen ist.

Der eindrucksvolle Reichtum an Klangfarben, der allein schon durch nuancierten Anschlag auf dem Flügel möglich wird, ist essentiell für alle Stücke auf Strukturen. Ebenso wie der Verzicht auf traditionelle Formen, etwa dem typischen Ablauf ‚Thema-Solo-Thema‘. „Es war mir wichtig, starre Parameter zu vermeiden“, konstatiert Ludwig Hornung, „und schon während des Komponierens hat mich die subtile Tonbildung der Klassik sehr inspiriert.“ Nicht zuletzt begeistert er sich für die „damals revolutionäre Art, wie Skrjabin oder Messiaen mit Akkorden und Harmonien umgegangen sind.“ Bei der Beschäftigung mit Musik des frühen 20. Jahrhunderts stieß Hornung auf einen russischen Komponisten, dessen Werke ihn direkt und nachhaltig beeinfluss(t)en: Nikolai Roslavets. „Seine Stücke bewegen sich am Rand der Atonalität, ich empfinde ihn wie einen Link zwischen Skrjabin und Schönberg. An Roslavets fasziniert mich, wie er die typisch russische Kraft, Düsternis und emotionale Schwere mit versöhnlichen Stimmungen und feinen Ziselierungen des französischen Impressionismus vereint.“

Das Album-Titelstück Strukturen weckt Assoziationen zu weiteren Klassikern, seine glitzernden Arpeggien lassen etwa an Chopin und Liszt denken. Andererseits macht Hornungs packende Improvisation deutlich, dass er vor allem ein leidenschaftlicher Jazzer ist. Als solcher verehrt er besonders Paul Bley, den 2016 verstorbenen „leisen Genius des Free Jazz“ (Melody Maker). Darüber hinaus pflegt Hornung seit seiner Jugend ein Faible für – Achtung, scharfer Schnitt – Hiphop. „Ich finde besonders diese ‚wackeligen‘ Beats interessant, die ich als erstes bei J Dilla gehört habe, mit denen aber auch beispielsweise Flying Lotus oft arbeitet“, erläutert Hornung. „Also wenn die Snare etwas zu spät oder die Kickdrum einen Hauch zu früh einsetzt. Dadurch erscheinen selbst simple Rhythmen irgendwie ungewohnt, sie bekommen etwas Schleppendes oder Asymmetrisches.“

Die Balance, man könnte auch sagen der nahtlose Wechsel zwischen notierten und improvisierten Passagen sowie das Potential für energiegeladene, soghafte Steigerungen gehört ebenfalls zu den prägnanten Gestaltungsmitteln des agilen, 2016 gegründeten Trios. Lediglich im Titelstück hat Hornung auch den Groove klar notiert, darüber hinaus lässt er Bernd Oezsevim weitgehend freie Hand, wie der intuitive Drummer mit eigenständigen, teils komplexen Einsätzen die Stücke ausgestaltet. Hornungs Kooperation mit dem wendigen Bassisten Phil Donkin reicht zurück bis ins Jahr 2011. „Ich schätze beide sehr für ihre Energie und Fähigkeit, auch mal zurückhaltend zu begleiten“, stellt der Bandleader fest. „Phil kann hervorragend Ideen weiterdenken und Grundpfeiler bilden; er ist rhythmisch extrem versiert und ein starker Impulsgeber. Außerdem funktionieren er und Bernd perfekt zusammen – selbst wenn mal längere Pausen entstehen, weil alle Beteiligen immer wieder auch bei anderen Engagements gefragt sind.“
Einen bis jetzt noch nicht erwähnten wichtigen Aspekt von Strukturen deutet Hornung in seinen begleiteten Sätzen auf dem Cover an. Die Intensität der Musik rühre nämlich auch daher, dass er sich viel „Schmutz von der Seele“ geschrieben habe. „Die Zeit war relativ kompliziert. Die Musik reflektiert ein Spannungsverhältnis von Schmerz und Euphorie, in dem ich mich damals bewegt habe und das ich letztlich in eine positive Energie verwandeln konnte“, sagt Hornung. „Zum Umgang mit starken Gefühlen gehörte letztlich auch die Frage, wie ich mir Strukturen für mein zukünftiges Leben schaffe.“

Das neue Album des Ludwig Hornung Trios ist eine echte Überraschung, zumindest für alle, die die Band nicht in jüngerer Zeit live gesehen haben. Vielschichtige Kompositionen und Haken schlagende Improvisationen, das pointierte Spiel mit Klangfarben und Dynamik sowie die individuellen Inspirationsquellen lassen Strukturen weit aus dem bunten Feld des Piano-Jazz herausragen. Entschlossener Stilwillen, fesselnde Intensität und lebendige Spielfreude sorgen für lang anhaltenden und wiederholten Hörgenuss.

www.ludwighornung.de/

matthiaspichlermusic.com/



Klingt so:
youtu.be/0DFM7qkawaI



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www.loftkoeln.de/de/karten/


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Norbert Krampf (FAZ) on the Hornung Trio’s CD released in the fall of 2022:

Perhaps the most striking difference between American and European jazz pianists is that those from the „old world“ largely grow up with classical music before turning to improvised music. It is of course no coincidence that influences from (late) Romanticism to classical modernism can now also be discerned – more strikingly than ever – in Ludwig Hornung’s playing. They give his compositions and dynamic improvisations a decidedly individual character. Moreover, they reveal an almost striking development of the musician and his band, whose debut player was released in 2017 on Double Moon Records.

The impressive richness of sound colors, which is made possible by nuanced touch on the grand piano alone, is essential for all pieces on structures. So is the abandonment of traditional forms, such as the typical ‚theme-solo-theme‘ progression. „It was important to me to avoid rigid parameters,“ Ludwig Hornung states, „and even while composing, I was very inspired by the subtle tone formation of classical music.“ Last but not least, he is enthusiastic about the „then revolutionary way in which Scriabin or Messiaen dealt with chords and harmonies.“ While studying music of the early 20th century, Hornung came across a Russian composer whose works had a direct and lasting influence(s) on him: Nikolai Roslavets. „His pieces move on the edge of atonality; I feel him like a link between Scriabin and Schoenberg. What fascinates me about Roslavets is how he combines typical Russian power, gloom and emotional heaviness with conciliatory moods and fine chiseling of French impressionism.“

The album title track Strukturen evokes associations with other classics, its glittering arpeggios suggesting Chopin and Liszt, for example. On the other hand, Hornung’s gripping improvisation makes it clear that he is, above all, a passionate jazzman. As such, he particularly reveres Paul Bley, the „quiet genius of free jazz“ (Melody Maker) who died in 2016. In addition, Hornung has cultivated a soft spot for – watch out, sharp cut – hip-hop since his youth. „I’m particularly interested in these ‚wobbly‘ beats, which I first heard from J Dilla, but which Flying Lotus, for example, also often works with,“ Hornung explains. „So when the snare kicks in a little too late or the kick drum a touch too early. That makes even simple rhythms seem somehow unusual, they get something draggy or asymmetrical.“

The balance, one could also say the seamless alternation between notated and improvised passages as well as the potential for energetic, suction-like increases is also one of the concise creative means of the agile trio founded in 2016. Only in the title piece has Hornung also clearly notated the groove, beyond that he leaves Bernd Oezsevim largely free rein as the intuitive drummer fleshes out the pieces with independent, sometimes complex entries. Hornung’s collaboration with agile bassist Phil Donkin dates back to 2011. „I really appreciate both of them for their energy and ability to accompany with restraint at times,“ notes the bandleader. „Phil is excellent at thinking ideas through and forming cornerstones; he’s extremely rhythmically adept and a strong pulse generator. In addition, he and Bernd work perfectly together – even when there are sometimes longer breaks, because everyone involved is always in demand for other engagements.“

Hornung hints at an important aspect of structures not yet mentioned in his accompanying sentences on the cover. The intensity of the music, he says, also stems from the fact that he wrote a lot of „dirt off his soul.“ „The time was relatively complicated. The music reflects a tension between pain and euphoria in which I was moving at the time and which I was ultimately able to transform into a positive energy,“ Hornung says. „Part of dealing with strong feelings was ultimately how to create structures for my future life.“

The new album of the Ludwig Hornung Trio is a real surprise, at least for those who have not seen the band live recently. Multi-layered compositions and hook-busting improvisations, the pointed play with timbres and dynamics as well as the individual sources of inspiration make structures stand out far from the colorful field of piano jazz. Determined stylistic will, captivating intensity and lively joy of playing provide long-lasting and repeated listening pleasure.



Sounds like this:
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Besetzung

  • Ludwig Hornung Piano
  • Matthias Pichler Bass
  • Bernd Oezsevim Schlagzeug

Konzerte in der Spielstätte

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